Im Moment lese ich „Remarkable Creatures“ von Tracy Chevalier. Die Schriftstellerin ist vor allem durch ihren hervorragenden Roman „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, bzw. dessen Verfilmung bekannt geworden.
Ihre Erzählstrategie, eine bekannte geschichtliche Persönlichkeit geschickt mit einer fiktiven Erzählung zu verknüpfen, wendet sie auch in ihren anderen Romanen an. Ihr Roman „Burning Bright“ erzählt beispielsweise von den Nachbarskindern des bekannten britischen Dichters William Blake und ihre Beziehung zu dem etwas verschrobenen Dichter.
Auch „Remarkable Creatures“ ist ein historischer Roman – Er spielt Anfang des 19. Jahrhunderts und erzählt von zwei Frauen, Mary Anning und Elizabeth Philpot, die sich – ganz entgegen des üblichen gesellschaftlichen Rollenbildes – mit dem Suchen und Analysieren von Fossilien beschäftigen. Dabei stoßen sie immer wieder an die Grenzen sowohl der gesellschaftlichen Vorstellungen von der Rolle einer Frau, als auch des damaligen religiösen und wissenschaftlichen Weltbildes.
Ihr undamenhaftes Interesse an Fossilien und Ammoniten stößt auf kein Verständnis bei den Einwohnern der kleinen Küstenstadt Lymes Regis, ebensowenig wie die Fragen, die ihre Funde bezüglich der streng christlichen Vorstellung von Erschaffung der Welt aufwerfen.
Doch die beiden lassen sich nicht von ihrer Begeisterung abbringen, und die Funde von Mary Anning werden immer spektakulärer. Als sie als erste ein urzeitliches Krokodil findet, später bekannt als Ichthyosaurus, beginnt sich schließlich auch die Wissenschaft ernsthaft für ihre Funde zu interessieren. Jetzt müssen die beiden Frauen auf einmal aufpassen, dass nicht andere die Lorbeeren für ihre Funde einheimsen, denn als Frau wird man in der Wissenschaft eigentlich gar nicht wahrgenommen…
Ich habe das Buch noch nicht ganz fertig gelesen, aber bis jetzt gefällt es mir ganz gut. Es ist spannend und unterhaltsam geschrieben und schafft glaubwürdige Charaktere, mit denen man sich identifizieren kann. Gleichzeitig erweckt Chevalier eindrucksvoll und fundiert die damalige Gesellschaft und das zu dieser Zeit übliche Rollenverständnis, Klassendenken sowie wissenschaftlichem und religiösem Horizont.
Allerdings reicht die Darstellung der Beziehung zwischen den beiden Frauen (auch wenn sie nicht schlecht herausgearbeitet wird) leider nicht ganz an „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ heran: die subtile und feinfühlige unterschwellige Erotik zwischen Jan Vermeer und der Dienstmagd Griet ist bisher einfach unübertroffen. Wer bisher nur den Film kennt und diesen gut fand, sollte unbedingt noch das Buch lesen!
Tracy Chevalier: Remarkable Creatures
Hier gibts noch mehr zu Tracy Chevalier und ihren Romanen, unter anderem die geschichtlichen Hintergründe.