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Am Freitag war ich bei der Eröffnungsveranstaltung der Literaturtage Nordschwarzwald in Freudenstadt. Zum Auftakt kam gleich der bekannteste Autor zu Wort: Peter Härtling, der seit 1974 als freier Schriftsteller arbeitet und hauptsächlich durch seine Kinderbücher Das war der Hirbel und Ben liebt Anna berühmt wurde. Er hat aber auch Erwachsenenromane, Gedichte und Essays geschrieben; am Freitag las er einige Gedichte, und Ausschnitte aus seinem neuesten Buch, O’Bär an Enkel Samuel. Eine Erzählung mit fünf Briefen vor. In dem Buch geht es um eine enge Beziehung zwischen Enkel und Opa,und wie der Enkel bei seinen ersten Sprechversuchen den Opa inspiriert und ihm hilft, seine Schreibblockade zu überwinden. Das Buch ist sehr behutsam und lustig geschrieben, und ich habe es auf meine Liste der „noch zu lesenden Bücher“ gesetzt. Peter Härtling hat eine sehr angenehme Erzählstimme, der man stundenlang zuhören kann.  Auch die musikalische Umrahmung mit Werken von Schubert hat sehr schön gepasst. Und der pünktlich vor dem Veranstaltungsbeginn einsetzende heftige Regen und der eiskalte Wind in Freudenstadt ließen schon eine herbstliche Stimmung aufkommen, genau richtig also für gemütliche Leseabende …

Um euch auch ein bisschen Lust aufs Lesen zu machen, hier das Gedicht, das mir bei der Lesung am Freitag am besten gefallen hat:

Der letzte Elefant

Ich bin der letzte Elefant.
Vor hundert Jahren fand
Mich ein schwarzer Prinz und band
An seinen Traum mich fest.
Der Prinz ist tot. Und meine Haut
Ist schwarz, vom Wetter angeraut.
Auf meinem Rücken war ein Haus gebaut-
Dort saß mein Prinz und hielt mich fest.
Ich konnte tanzen. Ich war leicht.
Man hat mich einst von Hof zu Hof gereicht:
Seht diesen Elefanten, dem kein andrer gleicht!
Und zog mir bunte Decken über für das Fest.
Dann kam der Brand, der Elefantentod.
Die Wälder sanken ein, und auch die Märchen starben.
Die Häuser wurden schwarz, die Erde rot-
Das letzte Fest war wild in seinen Farben.
Die Prinzen starben und die Löwen auch.
Die Tore schlugen zu, das Reich zerfiel.
Der Zauberer versuchte es mit Götterrauch,
Doch jenem Gott war’s nur ein Spiel.
Ich bin der letzte Elefant.
Mein Prinz ist tot. An einem Strand,
Wo ich die Wälder nicht mehr fand
Hüt ich den letzten Baum.
Da singt kein Vogel. Nur der Wind.
Und Sand macht meine Augen blind.
Vielleicht nimmt einmal doch ein Kind
Mich mit in seinen Traum.

~Peter Härtling

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